Das Landleben, Teil 2
aus: PAMO Königsberg '95 97, von Herbert Leibundgut
Das Leben auf den Gütern, dagegen war etwas Besonderes,
deshalb werde ich mich im weiteren meiner Ausführungen hierauf beziehen.

Auf 1000 ha kamen 70 – 80 landwirtschaftliche Arbeitskräfte.
Das Verhältnis zwischen Gutsbesitzer und Landarbeiter war auf gegenseitiges
Vertrauen in Verantwortung aufgebaut. Es war eine „echte Arbeits- und
Lebensgemeinschaft“, trotz einiger althergebrachter Sitten und Anreden.
Wie gut diese Lebensgemeinschaft funktionierte, zeigt ein Erlebnis aus dem
2. Weltkrieg: Als die Russen 1944 in Ostpreußen eindrangen, gelang es der
Gutsherrin (einer Gräfin) und einer Arbeiterfamilie eines Gutes nicht mehr
zu fliehen. Um die Gräfin vor dem Zugriff der russischen Soldaten zu
schützen, gewährten die „Instleute“ unter eigener Lebensgefahr ihr eine
monatelange Zuflucht in ihrer Familie.
Um den reibungslosen Arbeitsablauf eines Gutsbetriebes zu gewährleisten,
bedurfte es einer bestimmten Ordnung: Jeder Landarbeiter hatte entsprechend
seinen Fähigkeiten und seiner Ausbildung seinen bestimmten
Tätigkeitsbericht:
1.
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Instmann (Scharwerker): Feld- und Hofarbeit
Handwerker: Schmied, Stellmacher, Müller, Gärtner
Gespannführer: 4-Pferde-Gespann
Kutscher: Herrschaften und Besucher fahren
Schäfer: Schafherde
Schweinemeister: Schweinebestand
Melkermeister: Viehbestand und Gutsmeierei (Er hatte eine
Sonderstellung, darauf wird noch später eingegangen).
Kämmerer: praktisch Betriebsleiter
Inspektor (Oberinspektor): rechte Hand des Gutsherrn
Gutsbesitzer: verantwortlicher Betriebsleiter
(oft Diplom-Landwirt, mitunter promoviert)
Die Entlohnung
1.





Naturalien (Deputat): jeder Instmann hatte freie Wohnung,
freien Stall, Futter und Weide für 1 Kuh, (Handwerker und
Kämmerer teils 2 Kühe), 30 Zentner Getreide, Hausgarten,
Kartoffel- und Rübenacker, 7 Rm Brennholz, mehrere Fuder Reisig (Strauch). Dies reichte auch für Großfamilien
(oft 10 Kinder). Niemand brauchte zu hungern und zu frieren.
2.




Barlohn: relativ gering; für Männer im Sommer 23 RM, im
Winter 15,50 RM. Die Handwerker erhielten im ganzen Jahr
30 bis 40 RM monatlich. Durch Verkauf von Milch, Butter,
Eiern, Geflügel, Schweinen ergaben sich entsprechende
zusätzliche Einnahmen.
Melkermeister, Schweinemeister und Schäfer waren prozentual am Verkauf beteiligt.

Die Rentner hatten eine mietfreie Wohnküche, Hühnerstall und
Brennholz bis ans Lebensende. So lebten oft mehrere Generationen auf
demselben Gutshof

Wie dachten Gutsbesitzer über ihre Arbeiter?

Ich zitiere Dr. Hans Bloech, Gutsbesitzer in Ostpreußen, später Dozent an
der Gesamthochschule Kassel (mein ehemaliger Lehrer): „Die Leistungen
der ostpreußischen Landwirte wären ohne die fleißigen, treuen, tüchtigen
Landarbeiter und Gutshandwerker nicht möglich gewesen. Die Erfolge in
der Tierzucht hätten ohne die hingebende, verständnisvolle Pflege der
Pferdekutscher, Melker, Schäfer und Schweinewärter nicht erreicht werden
können. Ihnen gebührt tiefer Dank und volle Anerkennung.“

Ländliches Schulwesen und Ausbildung in der Landwirtschaft:

Einklassige Volksschulen, Lehrer meist vom Lande, verstanden sich gut
mit den Schülern („Klumpschuh-Gymnasium“ war die volkstümliche
Bezeichnung). Was ist aus diesen Schülern geworden? Einer wurde Pilot
(Hauptmann) im 2. Weltkrieg; ein anderer ging nach der Melkerlehre zum
Hunderttausendmann-Heer und brachte es bis zum Oberst; andere brachten
es auf dem 2. Bildungsweg zum Akademiker.

Die auf den Gütern blieben, schlossen mit 14 Jahren einen Lehrvertrag ab;
nach 2 Jahren Prüfung als Landarbeitergehilfe, danach folgte eine
landwirtschaftliche Lehre. Einmal in der Woche wurde abends die
Fortbildungsschule besucht. Junge Bauernsöhne hatten die Möglichkeit,
die landwirtschaftliche Winterschule zu besuchen und nach der
landwirtschaftlichen Gehilfenprüfung und bei besonderer Befähigung die
Höhere Landbauschule in Elbing zu besuchen.

Mit freundlicher Genehmigung der PAMO
Pädagogischer Arbeitskreis Mit
tel- und Osteuropa, Herrn Gerolf Fritsche vom 2.2.2008

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